Astronomie in der Schule
Eine kurze Geschichte über eine richtige Entscheidung zu einer
unpassenden Zeit an einem ungünstigen Ort mit wenig Personal, aber
echtem Geld.
Wenn die so genannte Öffentliche Hand kaum etwas zu verteilen hat, sollten wahre Sponsoren in Geberlaune sein!
Zu diesem Schluss kamen zwei Lehrer in Niedersachsen, denen als
Amateurastronomen die PISA-Studie (die originale! - Galileis
Versuchsreihen zu Bewegungen von Körpern) bereits bekannt war,
bevor der Name in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft und der
Kultusministerien Zukunftsängste auslöste.
Naturgemäß ist Bayern dem Himmel auch in astronomischer
Sicht ein paar hundert Meter näher, - was sich für
Niedersachsen mit einer teureren Optik ausgleichen ließe -, aber
die beiden Buchholzer Gymnasien vor den Toren Hamburgs müssten
doch auch einen Standortvorteil haben, schließlich sagt man dem
Teufel eine Affinität zu großen Haufen nach. Sollte dann
noch bei rund tausend Schülern der Stress mit Internet, gutem
Aussehen und Nebenjob nicht bei allen so weit fortgeschritten sein,
dass kaum noch Zeit bleibt für jene Fragen an die Natur, denen die
Menschen ihre Erkenntnisse verdanken, so träfe alles zusammen, was
man für Astronomie in der Schule benötigt.
Zugegeben, die Details bedurften einer gewissen Hingabe!
Als im Oktober 1999 das vermutlich erste
Schulgebäude Deutschlands als Leasing-Immobilie eingeweiht wurde,
stand die Sternwarte der kleinen Astro-AG des Gymnasiums mit dem Namen
Albert Einsteins auch weiterhin dort, wofür sie sich interessierte
- in den Sternen. Es galt also Verbündete zu finden, denen
Naturwissenschaften weder Gräuel noch Esoterik bedeuteten:
große Firmen, denen der Nachwuchs an Naturwissenschaftlern ein
eigennützliches Anliegen ist. Zusammen mit dem Kollegen Klaus
Plitzko des zweiten Buchholzer Gymnasiums, dem als Naturwissenschaftler
das Anliegen nicht fremd ist, erlaubten wir uns, ca. 25 Hamburger
Großunternehmen auf unser Interesse hinzuweisen. Postwendend kam
ein Scheck von EADS/Airbus, 10 weitere Firmen wünschten uns Glück; das Schweigen der anderen bleibt uns bis heute ein Rätsel.
Die Schleusen des Himmels in finanzieller Hinsicht öffneten sich
im Sommer 2000, im "Jahr der Physik", mit einer Einladung des WDR in
eine Spielshow zur Wissenschaftsförderung, gesponsort vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
Wir trafen auf eine ehemalige Schülerin aus Buchholz, die nunmehr
als Professorin in Jena forscht, fanden in ihren Eltern private
Förderer unserer Initiative und kehrten von dem Ausflug nach
Köln mit dem finanziellen Grundstock für ein
Spitzenklasseteleskop zurück.
Das Jahr 2001 brachte einige sternklare Nächte, doch die
Eigendynamik des Erfolges entwickelte sich tagsüber: zahllose
Termine mit der Lokalpresse,
der Stadtverwaltung, dem Bauamt und anderen wohlwollenden Bürgern,
ließen aus dem anfänglichen Gedanken an eine Low
budget-Sternwarte ein Projekt reifen, das sich sehen lassen kann.
Zwischenzeitlich hielten wir brav unseren wöchentlichen Termin
für die Theorie ab, motivierten eine Schülerin und einen
Schüler zu einer Arbeit über Astro-Spektroskopie, mit der sie
Preisträger im Bundeswettbewerb "Jugend forscht" wurden und
überredeten (schriftlich) die Deutsche Physikalische Gesellschaft zu Geldern für ein
H-alpha-Sonnenteleskop. Von all dem war die ESA so angetan, dass sie uns zu "Physics on Stage" in den Osterferien 2002 nach Noordwijk/NL einlud.
Bis zu den Sommerferien 2002 betrieben wir unsere
Nachtaktivitäten auf dem Schulhof, seither haben wir ein Zuhause
im Dach der Mühlenschule-Holm-Seppensen unter dem dunklen Himmel
der Nordheide auf 32 Quadratmetern Terrasse und Arbeitsraum, zu
erklimmen über eine mächtige Spindeltreppe. Dem Kommentar des
Stadtdirektors: "Wir können auch Jugendliche fördern, bevor
sie in den Brunnen gefallen sind!" folgte die wesentliche
Baufinanzierung durch einen Buchholzer Mäzen, großzügig
und effizient in rund zwei Minuten am Telefon.
Alles andere dauerte schon etwas länger.
Unter www.gemini-astronomie.de kommen wir
den medialen Bedürfnissen der Internetsurfer nach und sprechen in
Bildern und Texten zur großen weiten Welt.
Warum nun das alles?
Eigentlich verhalten wir uns ganz menschlich und wollen nur wissen,
woher wir kommen und wohin wir gehen - kosmologisch betrachtet. Wie an
ordentlichen Schulen üblich, benötigen wir dafür weder
Ufologen noch die kosmischen Energien der Esoteriker, die
naturwissenschaftlichen Modelle aus astronomischen Daten sind verwegen
genug. Seitdem es Schulen gibt, macht man aus Letzteren Lehrstoff,
heute, bei wachsender Datenflut, meist als Anhängsel verteilt
über die Fachgebiete einer konsumorientierten Gesellschaft.
Vielleicht wächst deshalb in den High-Tech-Kulturen parallel zur
naturwissenschaftlichen Forschung auch der Aberglaube. Wir halten es
daher mit Galileis Vorschlag an die disputierenden Kardinäle (lt.
B. Brecht), die Gestirne doch erst einmal in Augenschein zu nehmen,
bevor man ihren Sinn und Zweck dem eigenen Weltbild anpasst.
Wie das in Theorie und Praxis gehen kann, findet man auf unserer Homepage.
Der steile Aufstieg der Buchholzer
Schulastronomie wurde im 10. Jahr mit dem Reiff-Preis
2011 belohnt. Die Stiftung (eines Hobbyastronomen und Architekten, der sein
Vermögen nicht in Hedge-Fonds versickern, sondern es zur Förderung
astronomischer Bildung sinnvoll eingesetzt wissen wollte) vergibt den Preis,
dotiert mit
€ 3000.-, wenn man ein Kuratorium in der
Redaktion von „Sterne und Weltraum“ von der Qualität der bisherigen Arbeit
überzeugen kann. Das will schon etwas heißen. Wir konnten uns vom Preisgeld
eine neue automatisierte Montierung leisten, die unser Teleskop zielsicher auf die Objekte unserer
naturwissenschaftlichen Begierde ausrichtet.
Wir bedanken uns herzlich bei allen, die mit ihrem finanziellen Engagement unsere Sache vorangetrieben haben:
(in alphabetischer Reihenfolge)
- Brötchenmütter des AEG
- Deutsche Physikalische Gesellschaft
- EADS/Airbus Industries
- Fa. HORIBA Jobin Yvon, München
- Initiative N21
- Herr Konrad Gerlach, Buchholz
- Herr Thomas Matzen, Buchholz (HS)
- Rotary-Club Hamburg-Haake
- Schulvereine AEG u. GAK
- Sparkasse Harburg-Buxtehude
- Stadt Buchholz
- Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
- Prof. Dr. Ulrich u. Familie, Buchholz
Stellvertretend für alle anderen mit
ideellem und praktischem Engagement danken wir herzlich Herrn Fedeler
vom Bauamt Buchholz, dem Landwirt Herrn Meyer aus Holm-Seppensen, der
uns ein Stück Weideland für unsere Sternwarte abtreten wollte
und schließlich dem gesamten Projektkurs-Team des Schuljahrs
2001/02, allen voran Ferdinand Schweser mit seinen flinken Fingern, der
auf den Computer die Anfänge unserer Homepage zauberte und Simon
Bacher und Philip Dakowitz die ihr 2008 ein neues Gesicht verliehen.
Für Einblicke in unsere weitere Entwicklung
und in Details von Technik und Personal empfehlen wir die pdf-Dateien
der Startseite
und/oder einen Besuch in der Sternwarte, der am besten per e-mail oder Telefon abgesprochen werden sollte.
Martin Falk c/o gemini-people
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